Heute, am 25. September 2025 wird die Evangelische Akademie Loccum 79 Jahren alt. Im kommenden Jahr feiern wir unseren 80. Geburtstag. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir von nun an und in den kommenden Monaten besondere Wegmarken, Erhellendes und Unbekanntes aus der Geschichte der Akademie in Form von kleinen Anekdoten. Hier die Folge 1:
Die Geburt der Akademie aus dem Zusammenbruch von 1945
So ist es amtlich: Die Evangelische Akademie wurde 1946 in Hermannsburg „unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Mitschuld der Evangelischen Kirche“ (Wikipedia) ins Leben gerufen. Ihre Zielsetzung sei (laut Akademiegesetz von 1975) „der Verkündigung der Kirche in der Konfrontation moderner Weltprobleme mit dem Evangelium zu dienen, in der Gesellschaft zur verantwortlichen Planung zukünftiger Entwicklungen beizutragen“.
Das liest sich so durchdacht, souverän geplant und behördlich genehmigt, dass doch einige Skepsis angebracht ist. Johannes Doehring, der Gründungsdirektor der Akademie, erzählt von einer ganz anderen Geburtsstunde der Akademie. Hier ist seine (stark gekürzte) Geschichte:
Johannes Doehring befindet sich im Frühjahr 1945 als Militärpfarrer in der Tschechoslowakei. Dort soll er im Chaos des Rückzugs der Wehrmacht 28 Sanitätsschwestern vor dem Vormarsch der Roten Armee in Sicherheit bringen. In Nähe einer Sanitätskompanie wird er von einer russischen Panzertruppe überrascht. Er kann den Frauen gerade noch zurufen, sie sollten nach Westen flüchten, als auch schon die russischen Soldaten erscheinen. „Der Arzt neben mir wurde auf der Stelle erschossen … Wir wurden in Dreierreihen aufgestellt… (und) rechneten jeden Augenblick mit unserer Exekution.“ Doch Doehring selbst wird in dieser Situation plötzlich ganz von seinem geistlichen Dienst ergriffen und zu einer mutigen Tat angestiftet. „Es atmete, und plötzlich konnte ich die Psalmen wieder… Psalm 23 und die anderen. Ich hatte das alles schon vergessen…“ So tritt er vor das Exekutionskommando, dreht ihm den Rücken zu und betete in Richtung der Gefangenen laut das „Vaterunser“. Doch statt der Erschießung ereignen sich Vergebung und Rettung. Ein russischer Soldat bietet den Durstigen seine Feldflasche an und sein Vorgesetzter ruftden Gefangenen zu: „Abhauen, abhauen.“ Daraufhin fliehen die Gefangenen. Doehring etwa schlägt sich bis nach Hannover durch. Dieses Wunder einer Rettung durch Jesus Christus gibt für ihn „einen Blick nach vorne frei.“. Auf seiner Flucht entwickelt er die Idee einer Akademie, in der „erschütterte Menschen in erschütterten Positionen neu aufeinander zugehen“ könnten. Das alles unter Anbindung an die „kosmische Gestalt“ und „letzte Autorität“ Jesu Christi. Doehring: „Das alles ergab eine unglaubliche Freude und Zuversicht und Siegesgewissheit, dass ich wusste, dies ist richtig.“
Johannes Doehring setzt nach dem Krieg alle Hebel in Bewegung, um seine Idee einer Akademie umzusetzen. In Hannover trifft er den Studentenpfarrer Wischmann, der ihn an eine Gemeinde in Kleefeld vermittelt. In diesen Gesprächen springt der Funke über, bis ins niedersächsische Hermannsburg. Dort wird dann 1946 in einem alten Gasthaus die Evangelische Akademie gegründet. Erst 1952 zieht sie nach Loccum um.
Quelle für diesen Text und alle Zitate aus: „Erschütterte Menschen in erschütterten Positionen neu aufeinander zugehen lassen. Interview mit Johannes Doehring über die Anfänge der Akademiearbeit. In: Forum Loccum. Das Magazin der Evangelischen Akademie Loccum, Nr. 1, 1987, S. 15 bis 16. Rehburg-Loccum 1987.