Vom 21. bis 23. Mai 2025 fand eine Tagung mit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zum Umgang mit der extremen Rechten in Deutschland statt. Anwesend war auch der Journalist Michael Grau vom Evangelischen Pressedienst. Er veröffentlichte zwei Berichte zur Tagung unter anderem mit Stellungnahmen des früheren Ost-Beauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU). Sie können beider Berichte hier lesen:
„Sie wollen das System sprengen“
Tagung in Loccum fragt nach Umgang mit der extremen Rechten
Loccum/Kr. Nienburg (epd). Das Fazit klingt ernüchternd. „Das Label rechtsextremistisch verfängt nicht mehr“, sagt Dirk Pejril, Präsident des Verfassungsschutzes in Niedersachsen. Es halte viele Menschen nicht mehr davon ab, äußerst rechte Parteien wie die AfD zu wählen. Die Journalistin Nadine Lindner vom Deutschlandradio pflichtet ihm bei und zitiert eine Umfrage: Danach sei es vier von fünf AfD-Anhängern egal, dass die Partei als rechtsextrem gelte, solange sie nur die „richtigen Themen“ anspreche. Was also tun im Kampf gegen Extremismus? Diese Frage stellten sich rund 100 Teilnehmende der Tagung „Im Aufwind – Wie umgehen mit der extremen Rechten in Deutschland?“ an der Evangelischen Akademie Loccum.
Marco Wanderwitz hat dazu eine klare Meinung. Der CDU-Politiker aus dem Erzgebirge und frühere Ost-Beauftragte der Bundesregierung tritt für ein AfD-Verbotsverfahren ein. „Weil sie so groß geworden ist, werden wir sie mit Bordmitteln nicht klein kriegen“, sagt er bei der Tagung, die am Freitag endete. Die Partei sei inzwischen mit zahlreichen Abgeordneten im Bundestag, in Landtagen und Kommunalparlamenten vertreten und bekomme Steuergeld. Das nutze sie, um Hass und Hetze zu verbreiten. „Sie wollen das System sprengen“, betont Wanderwitz. „Deshalb müssen wir jetzt den Stecker ziehen.“
Der Jurist erinnert daran, dass das Bundesverfassungsgericht 1952 schon einmal eine rechtsextreme Partei verboten hat: die „Sozialistische Reichspartei“ (SRP). Und er ist überzeugt, dass die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ in einem Verbotsverfahren tragfähig sein wird – auch wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz diese Bewertung nach einer Klage der AfD vorläufig ausgesetzt hat. „Es übersteigt meine Vorstellungskraft, dass da nicht zumindest ein erheblicher Erfolg erzielt wird“, sagt Wanderwitz. „Ich glaube, dass es mit den Wählern der AfD etwas macht, wenn die Partei vom Bundesverfassungsgericht die rote Karte gezeigt bekommt.“
Dirk Pejril ist da vorsichtiger. Als Behördenleiter soll der Verfassungsschützer keine politischen Empfehlungen geben. Ihn treibt aber etwas anderes an: „Ich bin ein großer Freund davon, viel in den sozialen Medien zu machen. Das sollten sich die demokratischen Parteien auf ihre Fahnen schreiben.“ Momentan überließen sie die „Lufthoheit“ der AfD, die sich dies etwa mit schnellen Videos aus dem Parlament zunutze mache. „Sie schafft es, mit einfachsten Botschaften die Menschen zu erreichen.“ Pejril betont: „Da muss etwas passieren, sonst verlieren wir viele Leute.“ Bei den Teilnehmenden, unter ihnen Leute aus Schule, Politik, Gewerkschaften, Kirchen, Wissenschaft oder Presse, stößt er damit auf viel Zustimmung.
Einen Blick auf die rechtspopulistische FPÖ im Nachbarland Österreich bringt die Journalistin Nina Horaczek aus Wien ein. Die Partei sei schon 1955 von Altnazis gegründet worden und verfüge bereits über Regierungserfahrung auf Landes- und Bundesebene, denn ein Parteienverbot kenne Österreich nicht. Die FPÖ vereine einen nationalen und einen liberalen Flügel, doch Wahlerfolge erziele sie vor allem durch einen stramm rechtspopulistischen Kurs mit klaren Feindbildern wie der EU. Horaczeks Fazit: „Schlimmer geht immer.“ Und: „Glauben Sie, was Rechtsextreme sagen – die wollen das wirklich.“
Den Blick aus den USA steuert der deutsche Gastprofessor Jakob Wiedekind bei, der per Video aus North Carolina zugeschaltet ist. Der Politikwissenschaftler hat eine hoffnungsfrohe Botschaft für seine Zuhörenden in Loccum, denn eine Entwicklung wie in den USA unter Präsident Donald Trump sieht er für Deutschland nicht. Der Erfolg von Trump hänge eng mit Schwächen des amerikanischen Systems von Wahlen und Parteien zusammen. „Deutschland hat starke Abwehrkräfte gegen Autoritarismus, stärkere als die USA“, sagt Wiedekind und nennt das Wahlsystem, die Gerichte und die öffentlich-rechtlichen Medien.
Doch auch diese Barrieren könnten zerbröckeln. Sie seien nicht naturgegeben, warnt er. „Wenn demokratische Akteure schweigen oder aus Angst vor Stimmenverlust rechten Diskursen nachgeben, beginnt eine schleichende Normalisierung mit tragischem Ausgang.“ Deshalb sei es wichtig, die demokratischen Institutionen zu stärken und den rechtspopulistischen Narrativen von Verlust und Untergang positive Erzählungen von einer demokratischen Gesellschaft entgegenzusetzen.
CDU-Politiker Wanderwitz plädiert für AfD-Verbotsverfahren
Loccum/Kr. Nienburg (epd). Der frühere Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), hat nach dem Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur AfD für ein Verbotsverfahren gegen die Partei plädiert. „Weil sie so groß geworden ist, werden wir sie mit Bordmitteln nicht klein kriegen“, sagte er bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum in Niedersachsen, die am Freitag endete. Zu der Tagung „Im Aufwind – Wie umgehen mit der extremen Rechten in Deutschland?“ trafen sich rund 100 Teilnehmende aus Schule, Politik, Gewerkschaften, Kirchen, Wissenschaft und Presse.
Die AfD sei inzwischen mit zahlreichen Abgeordneten im Bundestag, in Landtagen und Kommunalparlamenten vertreten und bekomme Steuergeld, sagte Wanderwitz. Das nutze sie, um Hass und Hetze zu verbreiten. „Sie wollen das System sprengen“, sagte der Jurist. „Deshalb müssen wir jetzt den Stecker ziehen.“ Der sächsische CDU-Politiker aus dem Erzgebirge erinnerte daran, dass das Bundesverfassungsgericht 1952 schon einmal eine rechtsextreme Partei verboten hat: die „Sozialistische Reichspartei“ (SRP).
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang Mai als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Dagegen geht die Partei juristisch vor. Die Einstufung ist daher ausgesetzt, bis das Verwaltungsgericht Köln über einen entsprechenden Eilantrag entschieden hat.
Wanderwitz ist überzeugt, dass die zunächst getroffene Einstufung der AfD vor Gericht und auch in einem Verbotsverfahren tragfähig sein wird. Die Verfassungsschützer machten „110-prozentige“ Arbeit: „Es übersteigt meine Vorstellungskraft, dass da nicht zumindest ein erheblicher Erfolg erzielt wird“, sagte er bei der Tagung: „Ich glaube, dass es mit den Wählern der AfD etwas macht, wenn die Partei vom Bundesverfassungsgericht die rote Karte gezeigt bekommt.“
Der Rechtsanwalt Wanderwitz (49) war von 2020 bis 2021 Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer. Im November 2024 reichte er gemeinsam mit anderen Initiatoren im Bundestag einen fraktionsübergreifenden Antrag zur Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens ein. Dieser zielte darauf ab, dass der Bundestag ein solches Verfahren einleitet. Er fand jedoch keine Mehrheit im Parlament. Bei der Bundestagswahl 2025 kandidierte Wanderwitz nicht erneut und begründete dies mit zunehmenden Anfeindungen gegen seine Person.
Marco Wanderwitz während eines Interviews in der Akademie
Korbinian FRENZEL u. Julia REUSCHENBACH bei ihrem literarischen Impuls auf der Tagung. Rechts: Studienleiter Albert Drews