Editorial zur Druckausgabe des Halbjahresprogramms 1-2026
Liebe Freund:innen der
Evangelischen Akademie Loccum,
in diesen Tagen gehen wir in das 80. Jahr unseres Bestehens. Am 25. September 1946 wurde die Evangelische Akademie durch den damaligen Landesbischof Hanns Lilje feierlich eröffnet. Ihr erster Standort war Hermannsburg in der Lüneburger Heide, erst zum Jahreswechsel 1952/53 zog man in das Klosterdorf Loccum um. Für unsere Social-Media-Accounts haben wir eine feine Auswahl an Anekdoten aus beinahe acht Jahrzehnten Akademiegeschichte zusammengetragen, die wir in loser Folge in den nächsten Monaten veröffentlichen wollen – von Niklas Luhmann bis Margot Käßmann, von Wattebäuschen bis Endlager.
Bei den Recherchen für diese Serie ist unserer Bibliothekarin Britta Papenhausen das Foto aus den ersten Loccumer Jahren in die Hände geraten, das Sie vorne auf dem Titel sehen. Ein rittlings auf dem Dach des Glockenturms sitzender Mann, in einem hellen Arbeitsanzug, mit Tuch und Schnüren am Fuße des Kreuzes. Womit der Mann genau beschäftigt ist, ist nicht zu erkennen und leider auch nicht überliefert. Ist er damit beauftragt, das Kreuz wieder auf Hochglanz zu polieren? Muss er es befestigen, damit es nicht von den Stürmen der Zeit hinweggeweht wird?
Für die Gründungsväter (und wenigen -mütter) war das Projekt einer Evangelischen Akademie ganz klar eine Glaubensangelegenheit. Die enge Verwandtschaft, die zwischen christlichem Glauben und konservativem politischen Denken seit dem 19. Jahrhundert bestanden hatte, war zerbrochen. Aus den steinernen und den geistigen Trümmern entstand nun der feste Wunsch, Gesprächsorte quer zu den alten, überkommenen Lagern zu schaffen. Es ging dabei einerseits um konkrete politische Zukunftsfragen, andererseits darum, gemeinsam aus der Angst herauszufinden und wieder Fuß und Gottvertrauen zu fassen. Johannes Doehring, der Gründungsdirektor, hat von der „Gnade des Nullpunkts“ gesprochen, an dem „erschütterte Menschen in erschütterten Positionen neu aufeinander zugehen“ könnten. Dabei konnten er und seine Mitstreiter:innen bei aller Erschütterung doch an die Arbeit der Bekennenden Kirche anknüpfen und an ihren festen Glauben an die Offenbarung Gottes in Jesu Christi. Gebet und Meditation waren konstitutiver Bestandteil der ersten Akademietagungen.
Heute ist die Teilnahme an der Morgenandacht optional, und auch sonst sind die Hinweise auf unsere evangelische Prägung etwas diskreter. Unser Auftrag besteht darin, einen Ort für gesellschaftspolitische Debatten zu gestalten, und zwar als Dienstleistung an der Gesellschaft, nicht als kirchliche Lobbyarbeit. So verstehen sich die Evangelischen Akademien als ein kirchlicher Beitrag zu einem friedlichen, freien und solidarischen Zusammenleben – hierzulande wie weltweit.
Akademiearbeit ist damit Ausdruck eines inkarnierten Glaubens, der sich auf die Welt einlässt, in all ihren Abgründen und Widersprüchen, und gerade darin Gott vermutet. Damit bleiben wir unserem Gründungsimpuls treu, auch wenn Johannes Doehring es seinerzeit vollmundiger formuliert: „(…) heute muß eine Theologie der Tatsachen von ihrem kosmologischen Hintergrund ausgehen, um uns da zu treffen, wo wir ratlos sind. Diese kosmische Christologie, die auf Verwandlung der Welt durch Wandlung der Menschen dringt, wurde zum Ausgangspunkt der Arbeit Evangelischer Akademie.“
In diesem Sinne: Kommen Sie, wandeln und verwandeln Sie mit!
Ihre Julia Koll, Akademiedirektorin
Das aktuelle Halbjahresprogramm 1-2026 als PDF
Das Halbjahresprogramm 2-2025 als PDF
