Tagung in Kooperation mit der Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers
05.09.2025 - 06.09.2025
Eineinhalb Jahre nach der Veröffentlichung der ForuM-Studie und zweier Fallgutachten aus der Landeskirche Hannovers fragt die Tagung nach dem Stand der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext. Mit Blick auf die Themen Verantwortung, Schuld und Kirchenentwicklung werden verschiedene Prozesse und Perspektiven aufgegriffen. Diskutiert wird, wie es weitergehen soll. Ein Forum für Austausch, Vernetzung und Wissenstransfer.
Die Redakteurin Karen Miether vom Evangelischen Pressedienst (epd) nahm an der Tagung teil und veröffentlichte folgenden Bericht:
Betroffene fordern bei der Aufarbeitung von Missbrauch mehr Hilfen
Bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in Kirchen und anderen Institutionen ist nach Ansicht des Betroffenen-Vertreters Matthias Katsch die Beteiligung Betroffener unerlässlich. „Ganz viele Projekte haben an dieser Stelle die größten Probleme“, sagte der Sprecher der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“ aus dem Bereich der katholischen Kirche bei einer Tagung zum Thema Missbrauch in der Kirche, die am Sonnabend in der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg zu Ende ging. Zumindest über einen beratenden Beirat sollte die Perspektive Betroffener einbezogen werden.
Dabei sei ein traumasensibler Umgang mit den Menschen nötig, die oftmals als Kinder oder Jugendliche Schlimmstes durchleiden mussten, betonte Katsch bei der Tagung in Kooperation mit der Fachstelle „Prävention Sexualisierter Gewalt“ der evangelischen Landeskirche Hannovers. Katsch stellte als Mitglied der Unabhängigen Kommission des Bundes zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs neu entwickelte Standards vor. „Sie müssen dafür sorgen, dass Menschen, die bereit sind, über ihre Erfahrungen zu sprechen, nicht am Ende schlimmer dran sind als vorher“, betonte er.
Die Betroffenenvertreterin Nancy Janz unterstrich bei der Tagung, die Betroffenen leisteten „Widerstand gegen das Verstummen“. Oft hätten sie selbst die Aufarbeitung erst in Gang gebracht. Sie kämpften dafür, dass in der Kirche nicht mehr länger nur auf einzelne Täter, sondern auf Strukturen geschaut werde, sagte die Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Ohne dieses ‚trotz allem‘ der Überlebenden wären wir heute nicht hier.“ Nötig seien jedoch mehr Menschen, die dafür sorgten, dass dieses Engagement nicht ins Leere laufe.
Detlev Zander, der wie Janz Sprecher der EKD-weiten Betroffenenvertretung ist, sagte, Aufarbeitung sei keine einmalige Veranstaltung, sondern ein langer Weg. „Sie verlangt, dass die Perspektive der Betroffenen im Zentrum bleibt.“
Nach den Erfahrungen der Traumafachberaterin Claudia Chodzinski benötigen die Betroffenen über die Krisenintervention hinaus in diesem Prozess eine längerfristige Begleitung. Dabei gehe es nicht um Therapie, sondern um eine fachlich fundierte Unterstützung, die stabilisiere und dabei helfe, Selbstermächtigung zu erlangen. Chodzinski hat in der hannoverschen Landeskirche mehrere Betroffene begleitet. „Das Erleben von Gewalt beinhaltet immer Ohnmacht und Hilflosigkeit“, erläuterte sie. Darum seien Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung so wichtig. Die Betroffenen sollten verlässlich informiert und einbezogen werden. „Sie müssen gefragt werden und es darf nicht über sie entschieden werden.“
Was sexualisierte Gewalt in Kirchen begünstigt
„Drei Fragen an …“ Prof. Dr. Reiner Anselm zur theologischen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext. Herr Anselm ist Inhaber des Lehrstuhls für Systematische Theologie und Ethik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er stellte sich unseren Fragen am 5. September 2025 am Rande dieser Tagung.
Theologische Aufarbeitung Sexualisierte Gewalt: Themen – Akteure – Perspektiven
Vortrag von Prof. Dr. Reiner Anselm, Lehrstuhl für Systematische Theologie und Ethik, Ludwig-Maximilians-Universität München, gehalten am 06.09.2025 im Rahmen der Tagung „Werkstatt Aufarbeitung Sexualisierte Gewalt“ an der Evangelischen Akademie Loccum.
Mareike Dee, Leitung der Fachstelle Sexualisierte Gewalt, Landeskirche Hannovers
Dr. Martin Hauger, Persönlicher Referent des Präsidenten des Landeskirchenamtes der Landeskirche Hannovers
Dr. Bastian König, Studienleiter für Kirchenentwicklung, Theologie und Ethik, Evangelische Akademie Loccum
werden in Kleingruppen ausgetauscht und festgehalten
Statement Nancy Janz, Sprecherin für die Betroffenen im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt (BeFo), Bremen
Dr. Georg Gebhardt, Vizepräsident des Landgerichts Hildesheim
Matthias Katsch, Mitglied der UKASK, Mitglied im Beirat des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Ortenaukreis
Ute Dorczok, Leitung der Geschäftsstelle der URAK, Hannover
Dr. Helge Staff, Leitung der Fachstelle Sexualisierte Gewalt, Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
mit anschließender Kleingruppendiskussion
mit anschließendem Gespräch
Detlev Zander, Sprecher für die Betroffenen im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt (BeFo), Hannover und Klaus Andersen, früherer weltlicher Vorsteher der Evangelischen Brüdergemeinde und ihrer Diakonie (bis November 2021) und Vorsitzender des Komitees „Aufarbeitung und Prävention“ (seit Anfang 2022), Korntal-Münchingen
Prof. Dr. Reiner Anselm, Lehrstuhl für Systematische Theologie und Ethik, Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. Daniel Rudolphi, Weltanschauungsbeauftragter der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers und Teamleitung „Demokratie und Frieden“, Service Agentur, Hannover
Susanne Paul, Pastorin, Beauftrage für Genderfragen, Service Agentur und Mitinitiatorin des Briefes an die Kirchenleitung, Hannover
Claudia Brandy, Pastorin Kirchengemeinde St. Wilhadi Stade (bis Juni 2025), Hildesheim
Claudia Chodzinski, Soziotherapeutin, Diplom Sozialpädagogin (FH), Traumapädagogin und Traumafachberaterin (zptn), Hannover
Dr. Lena Hofer, Wissenschaftstheoretikerin, München
mit Kurzpräsentation der Impulsergebnisse
Der Umgang mit den Studienergebnissen aus verschiedenen Perspektiven. Podium mit Statements und Diskussion.
• Nancy Janz, Bremen
• Detlev Zander, Hannover
• Nina Hollung, Pastorin und Mitglied der 26. Landessynode der Hannoverschen Landeskirche, Celle
• Dr. Jens Lehmann, Präsident des Landeskirchenamts der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers
• Claudia Brandy, Hildesheim
• Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher des Diakonischen Werks in Niedersachsen, Hannover