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Abgewrackte Prämie

Ein Beitrag von Studienleiter Joachim Lange

Das Konjunkturpaket der großen Koalition hat bei Kommentatoren und Interessengruppen eine überwiegend wohlwollende Aufnahme gefunden. Herbe Kritik hingegen lässt sich aus der Automobilbranche vernehmen, obwohl Milliarden u.a. über Kaufanreize für Elektroautos, die Förderung von Ladesäuleninfrastruktur und Zukunftsinvestitionen in den Sektor fließen sollen. Moniert wird die Entscheidung gegen Kaufanreize für PKW mit Verbrennungsmotor. Diese waren von Vertretern einiger Unternehmen gefordert worden. Allein der Umstand, dass damit Kaufanreize in der politischen Diskussion waren, dürfte viele potenzielle Autokäufer dazu bewegt haben, erst einmal abzuwarten.

Über die klimapolitischen Aspekte einer solchen Prämie kann man diskutieren, was im unmittelbaren Vorfeld der Entscheidung auch auf einer virtuellen Tagung der Akademie getan wurde. Mehrheitlich werden sie wohl skeptisch gesehen, auch wenn man die Bedeutung von konventionellen Fahrzeugen mit einem niedrigen CO2-Ausstoß für die kurze und mittlere Frist nicht unterschätzen darf. Doch – so wird argumentiert – muss nicht jedes Element eines Konjunkturpaketes zugleich struktur- oder industriepolitischen Zielen dienen. Auch diese Frage wurde in Loccum wenige Tage zuvor eingehend diskutiert.

Doch stellt sich die Frage, ob Kaufanreize für PKW mit Verbrennungsmotoren überhaupt ein für die deutsche Automobilindustrie hilfreiches Instrument gewesen wären: Die Erfahrungen mit der Abwrackprämie während der Finanzkrise lassen daran zweifeln. Kritiker weisen darauf hin, dass hier mit deutschen Steuergeldern vor allem die Konkurrenz der deutschen Automobilindustrie gefördert wurde. Die strukturellen Probleme der deutschen Automobilindustrie, die länger bekannt sind als das neue Corona-Virus, ließen sich mit einem staatlichen Zuschuss von EUR 2.500 ohnehin nicht in den Griff bekommen. (Ganz abgesehen davon, dass der Blick auf die Preislisten deutscher Premiumhersteller zeigt, dass eine preisabhängige Förderung, wie sie die Umsatzsteuerentlastung darstellt, womöglich der bessere Deal ist.) Anstatt der abgewrackten Prämie nachzutrauern, wäre es sinnvoller, die umfangreichen Mittel, die die Politik zur Unterstützung des Strukturwandels in Aussicht stellt, konstruktiv zu nutzen. Er wird alle Beteiligten in den nächsten Jahren noch genug fordern.

In unserem Corona Blog schildern Studienleiter*innen der Akademie und der Akademie als Referent*innen verbundene Persönlichkeiten ihre Wahrnehmungen zur Coronakrise. Aus den verschiedenen interdisziplinären Arbeitsbereichen entsteht damit eine multiperspektivische Sicht, die in der Krise Orientierung bieten kann. Gleichzeitig wird deutlich, wie die Akademie ihre Arbeit auf diese Ausnahmesituation anpasst.

 

Dr. Joachim Lange ist Studienleiter für Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie Internat. Wirtschaftsbeziehungen