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Der Künstler Axel Kawalla stellt „Flüchtiges“ in Loccum aus

Ab heute, den 18. März 2022, präsentieren die Evangelische Akademie Loccum und das Religionspädagogische Institut eine Ausstellung des Künstlers Axel Kawalla in den Räumen der Tagungsstätte Loccum. Zu sehen sind drei verschiedene Werkgruppen, die unter dem Titel „Flüchtiges“ in einen Bezugsrahmen gestellt werden.

Eine Werkgruppe der Ausstellung erhält durch den Krieg in der Ukraine gerade eine erschütternde Aktualität. Der Fries „Die Flüchtenden“ und andere Tusche-Zeichnungen rücken Fluchtexistenzen des Menschen in den Fokus. Die Öl-Arbeiten in den Gängen des Religionspädagogischen Institutes Loccum stellen menschliche Figuren in schwindende surreale Welten oder Traumszenen.

In der Akademie wiederum setzt sich Axel Kawalla mit seinen neuesten Arbeiten mit dem Thema Sterben auseinander. „Das sind Skizzen einer Sterbebegleitung aus meinem privaten Umfeld; das ist ein malerisches Nachdenken über Leben, das entschwindet und noch darin sehr viel Kraft entwickeln kann. Die eigene Endlichkeit wird dabei deutlich und die Flüchtigkeit von Momenten.“

Für Kawalla, der im Hauptberuf Pastor an der St-Andreas Kirche in Hildesheim ist, spielt Kunst von seiner Jugendzeit an eine wesentliche Rolle in seinem Leben. Bei seinen grafischen, malerischen und plastischen Arbeiten steht fast immer die menschliche Figur im Mittelpunkt. Besonders fasziniert ist er von dem Material Glas. Vor einigen Jahren wurde in der Thomaskirche Hannover-Laatzen die künstlerische Verglasung nach seinen Entwürfen umgesetzt.

Trotz der Nähe zu Kirche und Glauben stellt Axel Kawalla jedoch klar: „Als Künstler versuche ich mich davon freizumachen, alle Interpretationen aus dem Glauben heraus vorzunehmen. So habe ich in einigen Linolschnitten ein Motiv aus dem Lied „Komm, großer schwarzer Vogel“ von Ludwig Hirsch umgesetzt; da geht es um Jenseitsvorstellungen, aber das ist eben keine christliche Auferstehungshoffnung.“

Die Ausstellung ist noch bis 10. Juli 2022 in den Räumen der Evangelischen Akademie Loccum, Münchehäger Straße 6 und im Religionspädagogischen Institut Loccum, Uhlhornweg 10-12 zu sehen und ist der Öffentlichkeit täglich von 07:30 Uhr bis 20:00 Uhr und am Sonntag von 08:00 Uhr bis 14:00 Uhr kostenfrei zugänglich. Bis auf weiteres gilt bei einem Besuch noch die 2G-Regel.

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Systemrelevant?

Im 19. Jahrhundert war Gott systemrelevant. Jedenfalls wurde er von Philosophen des deutschen Idealismus wie Georg Wilhelm Friedrich dafür gehalten. „Gott sei“, so urteilte Hegel, „die absolute Substanz, die allein wahrhafte Wirklichkeit.“ Noch systemrelevanter geht es kaum. Spötter könnten anmerken, diese Systemrelevanz sei Gott nicht eben gut bekommen. Was gestern noch besonders systemrelevant war, ist heute schon fraglich. Dieser Tage wird recht Anderes für systemrelevant gehalten.  Friseure zum Beispiel noch Ende März. Blumenrabatten und Gartenbau desgleichen. Nicht jedenfalls der Gang zum Gottesdienst. Eher der Gang zum Baumarkt.

Nun hat es die Rede von der Systemrelevanz in sich. Immanuel Kant hat einmal in der ihm eigenen berauschenden Klarheit definiert:  „System“ sei die „Einheit der mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee“. Idee und mannigfaltige Erkenntnisse müssen zusammenkommen. Welche Idee also treibt jene, die in Zeiten von Corona von Systemrelevanz sprechen? Die Idee des nackten Überlebens? Die Idee einer ausgelasteten aber nicht überfüllten Landschaft von Intensivbetten? Die Idee der Aufrechterhaltung elementarer Funktionen des gesellschaftlichen Lebens? Oder formen die Idee starke Interessenvertretungen, die effektiv Druck auf die Politikgestaltung  ausüben können?  Und welche mannigfaltigen Erkenntnisse versammeln jene, die über Systemrelevanz entscheiden unter dieser Idee?  Das ist angesichts der vielen offen bleibenden Fragen und widersprüchlichen Prognosen, die trotz intensiver wissenschaftlicher Beratung für die Politik bleiben, nur schwer zu beantworten.

Man könnte die Frage mit Friedrich Wilhelm Schelling auch anders stellen und an die Bundeländer richten, die über die Frage  der Systemrelevanz entscheiden müssen: „Warum und unter welchen Voraussetzungen werden wir gedrungen, ein System zu suchen?“ Sagt uns, welches System steht Euch vor Augen, wenn ihr von Systemrelevanz sprecht? Und habt Ihr je ernsthaft nach einem gesucht?

Auf diese Fragen könnten womöglich die offiziellen Informationsseiten der entsprechenden Verordnungen der Bundesländer Auskunft geben. Dort finden sich aber Listen. Aufgelistet werden etwa in Baden Württemberg Tätigkeitsfelder aus den Bereichen Energie, Lebensmittelversorgung, Informations- und Telekommunikation, Gesundheit, Transport und Verkehr. Ergänzt wird das Versicherungswesen, Medien, Staat und Verwaltung und die Abfallwirtschaft.  Die sicherheitsrelevanten Berufe bleiben in Nordrhein-Westfalen unerwähnt. An die denken aber Hessen und Berlin. Berlin spricht von „betriebsnotwendigem Personal und Schlüsselfunktionsträgern in ausgewählten öffentlichen Einrichtungen und Behörden“. Jedes Bundesland hat andere Listen. Und die verändern sich je nach politischer Sonneneinstrahlung wie ein Chamäleon seine Farbe. Anfangs waren Hausmeister*innen und Steuerberater*innen in Nordrhein-Westfalen nicht systemrelevant.  Jetzt sind sie es. Das ist rhapsodistisch, nicht systematisch, würde Immanuel Kant zu einem solchen Verfahren der Feststellung von Systemrelevanz sagen.

Kürzlich wurde der deutsche Spargel in den Rang des Systemrelevanten erhoben. Der Spargel wurde derart systemrelevant, dass Spargelstecherbomber aus Rumänien eingeflogen werden durften, in einer Zeit, wo kein Hamburger ungestraft die Grenze nach Schleswig-Holstein passieren konnte. Das verstehe wer will, so unbestreitbar bitter Spargel ist und wird, der ungegessen gen Himmel schießt.

Rheinland-Pfalz und mit ihm das Saarland hat mit seiner elementar in diesem Bundesland verwurzelten republikanisch-liberalen Mentalität gar nicht erst angefangen, systemrelevante Berufsgruppen zu identifizieren. Das war am Ende gesellschaftsklug.

Das Bittere ist zudem: Viele systemrelevante Berufe, die vor allem von Frauen wahrgenommen werden, sind oftmals unterbezahlt. Es lauert am Ort von Systemrelevanz Diskriminierung.  Zugleich heißt es, die systemrelevanten Menschen seien die eigentlichen Helden dieser Tage. Darauf ist übrigens nicht erst besonders prominent Maybrit Illner gekommen, die Ende März die Krankenschwester Yvonne Flackner, systemrelevant fand, eine Heldin nannte und ihr schließlich attestierte einen „Mörderjob“ zu machen. Schon die Imagekampagne des Thüringer Pflegepaktes wirbt seit 2014 mit der Formel: „Pflege braucht Helden“. Es ist jetzt schon zu  erahnen, dass sich die Lage für Pflegepersonal nach der Krise nicht maßgeblich ändern wird. Es geht  ja nicht nur um bessere Bezahlung. Es geht auch um die Frage der sozialen Lasten unregelmäßiger Dienstzeiten, Überstunden und Nachtdienste dieser Berufe. Und es ist jetzt darüber hinaus schon zu erahnen, dass der Glanz der Systemrelevanz, der über diesen Berufen scheint, wieder verblassen wird. Der Glanz verbleicht ja schon aktuell. In der hochgradig systemrelevanten medizinischen und pflegerischen Betreuung wurde auf Kurzarbeit umgestellt. Einige Geschäftsführungen von Krankenhäusern haben sogar Personal entlassen.

All das legt nahe: Systemrelevanz scheint eine aus der Stunde der Krise geborene Druckvokabel zu sein. Mit ihr wird versucht, recht und schlecht einzugrenzen und zu markieren, welche elementaren beruflichen Funktionen unbedingt sein müssen, um nicht den Kollaps des Gesundheitssystems und so den Tod abertausender Menschen zu riskieren.

Eine solche Druckvokabel hat schwerlich die Leistungskraft über die Bedeutsamkeit von Berufsgruppen  und Menschen und den mit ihnen verbundenen Lebensfeldern zu entscheiden. Diente nicht gerade der Shutdown und die mit ihm ins Spiel gebrachte Rede von der Systemrelevanz jenen vom Risiko bedrohten und Schwachen, die selbst nicht in all den Listen der systemrelevanten Berufe aufgeführt werden?

Der Reichtum, die Bedeutsamkeit gesellschaftlichen Lebens und Zusammenlebens, all das, was es kostbar und köstlich macht, lässt sich nicht auf die Frage nach Systemrelevanten reduzieren. Eine Hierarchisierung nach Relevanz entlang eines nicht klar begründeten Systematik wäre von Übel. War da der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Thomas Sternberg  gut beraten, als er Mitte Februar in bester Absicht im Blick auf Gotteshäuser aus Stein meinte, Kirchen seien systemrelevant und groß genug, denn in ihnen hätten Menschen die Möglichkeit Ängste zu verarbeiten. Und wie triftig war die Äußerung des Mainzer Bischofs Kohlgraf  Ende April, jeder Mensch sei systemrelevant. Nur ja nicht! Es wäre ja noch schöner, wenn Rechtsansprüchen, Ansprüchen auf Leben, Bedeutsamkeit, Anmut und die Liebenswürdigkeit von Leben erst durch Systemrelevanz erzeugt werden müssten. Menschen haben nicht erst dadurch Rechte, Würde, dass sie relevant sind für ein System. Sie sind um ihrer selbst willen interessant, einfach, indem sie da sind und leben. Man sollte die Lebensbedeutsamkeit von Individuen und das Prädikat systemrelevant gründlich auseinanderhalten. Das ist das eine.

Das andere ist. Die Bedeutsamkeit einer Organisation wie der Kirche erweist sich nicht dadurch, ob ihre Räume für eine Weile geschlossen bleiben können oder nicht. Hanna Jacobs erliegt der gebrechlichen Logik der Systemrelevanz, wenn sie in ihrem starken Einstieg in einem ZEIT-Artikel schreibt: „Die Kirche ist nicht systemrelevant. Heute nicht mehr, nicht in Deutschland, nicht in diesen Zeiten. Nichts bricht zusammen, wenn wochenlang die Kirchen und Gemeindehäuser geschlossen bleiben.“  Der Kirchgang, das kirchliche Leben sei wie der Besuch beim Lieblingsitaliener ein Luxus. Eine solche Wochen- und Monatsanalyse zwischen Luxus und Zusammenbruch  besagt rein gar nichts. Die Autorin hätte die Frage stellen sollen, was denn wäre, wenn die Kirchen und Gemeindehäuser für immer schließen würden. Am Ende kann die Kirche ihre Bedeutsamkeit, ihre gesellschaftliche Lebensenergie  erweisen, indem sie unter Beweis stellt, dass kirchliches Leben eine Zeitlang auch jenseits der üblichen Räumlichkeiten anders weitergeht  – sie kann das eben für einen gewissen begrenzten Zeitraum.  Es ist wie mit Wasser und Menschen. Bekanntermaßen können Menschen unter guten Bedingungen bis zu einer Woche ohne zu Trinken überleben. Aber wie schlecht wäre ein Mensch beraten, der am zweiten Tag ohne Wasser merkt, dass er keineswegs zusammenbricht, und auf die Idee käme: oh Wasser ist ja nur Luxus.

Noch einmal: Die Rede von der Systemrelevanz ist selbst ein Krisensymptom.  Vielleicht fällt uns aufgrund der Erfahrungen mit der Corona-Krise ein überzeugenderes Wort, eine triftigere Konzeption ein, um zu beschreiben, welche beruflichen Funktionen in einer Krise besondere Bedeutung gewinnen, um diese besondere Krise gesellschaftlich gemeinsam zu meistern. Gott jedenfalls war zwar im 19. Jahrhundert systemrelevant.  Heute mag es so scheinen, ob er es nicht mehr sei. Aber was kümmert ihn das, wenn sich dermaleinst herausstellen sollte, dass er der Schöpfer der Welt ist.

In unserem Corona Blog schildern Studienleiter*innen der Akademie und der Akademie als Referent*innen verbundene Persönlichkeiten ihre Wahrnehmungen zur Coronakrise. Aus den verschiedenen interdisziplinären Arbeitsbereichen entsteht damit eine multiperspektivische Sicht, die in der Krise Orientierung bieten kann. Gleichzeitig wird deutlich, wie die Akademie ihre Arbeit auf diese Ausnahmesituation anpasst.